Mary Ocher und Les Trucs

Warum sollte hier beschrieben werden, was viele selbst sahen? Das bislang größte Publikum sammelte sich am Freitag im Kesselhaus. FK:K II neigte sich dem Ende zu und bäumte sich musikalisch auf. Ganz nah am Körper der Menschen war das performative Konzert Les Trucs eine chirurgische Spielwiese zwischen Fleisch und Lust verströmte sich im Raum. Es endete mit einem Loop und der visuellen Inszenierung des Trichters. Es hat Spaß gemacht! Zuvor hatte Mary Ocher, nach dem Franz ihr einige Instrumente auf der Bühne ersetzen müssen während diese die Tour in Nordamerika ohne ihre Musikerin in einem Koffer fortsetzen. Es erklang die Stimme Ochers durchs Kesselhaus. Den Abschluss von FK:K II bildete Jonas Z‘s Set und es wurde versucht alle Getränke der Kühlschränke leer zu trinken. Ab morgen beginnt der Abbau und die Arbeit an den Abrechnungen. Wir sehen uns bald wieder! Euer Franz

interner Rundgang durchs Kesselhaus den Kunstort der Zukunft

Am 28.6. tat Franz etwas für sich – bzw. Gerhard Schlötzer tat uns etwas Gutes. Er führte uns durch die Tiefen, Untiefen und aufs Dach des Kesselhauses. Für die Mitglieder*innen des Franz‘ wurde einiges klar: Das Kesselhaus ist der interdisziplinäre Kunstort Bambergs ab 2019. In der Zukunft schwelgten wir mit Blick auf das Kloster Michaelsberg. Was ist möglich? Dies erörterte Gerhard ausführlich. Viel ist möglich stellt Franz fest. Wir wollen wieder kommen. Nein eigentlich wollen wir bleiben! Im spannendsten Kunstraum Nordbayerns. Ins Fabulieren kamen alle bei den zubrach liegenden Möglichkeiten dieser Räumlichkeiten. Das Kesselhaus bietet ein fast unendliches Potential. Als Blaupause der langfristigen Entwicklung können Ideen dienen wie: multifunktionaler Kunstraum in den Sheddachhallen, ein innovativer Konzertraum im Keller, der interdisziplinär nutzbare Experimentierraum Kesselhaus, eine Künstlerwohnung im 1. Stock, Ateliers, Büros, ein FabLab im gelben angrenzenden Haus, eine Off-Bühne im kleinen Stall, ein Garten im Garten und ein Dachterrassencafé auf dem Dach damit viele kommen um der Kunst nahe zu sein.

Wie soll das alles geschafft werden? Die Stadt muss erkennen, dass ein unglaubliches Potential brach liegt und sich dann zu einer Sanierung entscheiden. Viele Programmpunkte könnten weiterhin durch die Akquise zum Teil bundesweiter Fördergelder realisiert werden. Die Stadt Bamberg müsste die Infrastruktur und deren Instandhaltung leisten.

Franz‘ Projekte werden schon jetzt sehr hochrangig unterstützt wie z.B. durch den Bundesverband freie darstellende Künste, die Schweizer Kulturstiftung ProHelvetia, die Hypo-Kulturstiftung und den Musikfonds – daran würden wir gerne weiterarbeiten und weitere Jahre hochkarätiges Programm in Bamberg realisieren. Und zwar in einem bundesweit Aufmerksamkeit bekommenden interdisziplinären Kunstort: dem Kesselhaus! Danke Gerhard.

Performance: Davide Tidoni

„I‘m Davide“ sagte der gebürtige Italiener am Bahnhof und setzte nach einer langgefühlten Zeit die Ohrenschützer ab. Die zwölfstündige Fahrt von Mailand nach Bamberg schien dem sensiblen Ohr einiges abverlangt zu haben: Telefongespräche über Aktienkurse, Unterhaltungen über anstehende Urlaubspläne, lautstarke Kindererziehung hatte Davide so von sich fern gehalten um in Bamberg angekommen sogleich seine Performance für den folgenden Tag zu planen: alle brennbaren Materialien wurden aus dem Keller des Kesselhauses entfernt. Die akustischen Möglichkeiten des Raumes wurden getestet und anschließend wurde das bamberger Essen in folgender Reihenfolge getestet: Leberkäse, Bratwurst und Krustenbratenbrötchen. Alles lecker aber Davide isst auch gern vegetarisch!

Der 26.6. begann mit den Einkäufen für die Performance: Brennpaste, alte Lautsprecher aus dem Kolpinghaus, billige Mikrofone, Kaminstreichhölzer, ein Akku, Spiritus und Trockenfrüchte brauchte Davide Tidoni für seine Performance. Letztere dienen für die Herstellung der geeigneten Energie. Diese entlud sich vor 15 Zuschauer*innen bei der abendlichen Performance im Kesselhaus wo Davide Tidoni seine Performance erstmals in einem geschlossenen Raum machte. Was passiert, wenn man einen Böller unter einen surrenden Lautsprecher legt? Was passiert, wenn man drei Böller unter einen brummenden Lautsprecher entzündet? Wie klingt ein Schuss mit der Steinschleuder auf die Lautsprechermembran? Was passiert, wenn ein angeschlossenes Mikrofon am Kabel durch den Raum geschleudert wird? Trifft Davide mit einer Silvesterrakete in die Bassöffnung des Lautsprechers? Hat es etwas menschliches oder morbides, wenn ein brennender Lautsprecher an einem Seil in die Höhe gezogen wird? All das geschah vor den Augen und Ohren eines erstaunten Publikums am 26.6. – ebendieses schweigt sich darüber aus welche Klänge dabei entstehen. Sicher ist am Ende: All bodies end in silence. Alle Klangkörper können aufhören Klang zu erzeugen, zumindest wenn sie Davide Tidoni überlassen werden.

noise of heimat

Die Phrase „Bringt mir ihre Köpfe!!“ schafft die Überleitung von der weltfremden Messe der „Säulen des Kosmos“ zur tags darauf gehaltenen Lesung „noise of heimat“. Die Formulierung hätte in beiden Zusammenhängen fallen können, dabei war das eine abstrahierende Kunst, das andere blanke Realität. Olga Seehafer und Felix Forsbach lasen Emails und Foreneinträge von Rassisten jeder Fasson. Adressat – oder eher Zielscheibe der Verfasser*innen: der Bayerische Flüchtlingsrat und naheliegende Institutionen, die sich für die menschenwürdige Behandlung von Geflüchteten in unserer überfetteten Gesellschaft einsetzen. „noise of heimat“ ist eine Lesung, die der noise-Künstler Anton Kaun begleitet und damit erst möglich macht. Ohne sein akustisches Bollwerk, ohne noise wären die Texte nicht auszuhalten. Im Kontext wird der „Lärm“ das wohltuende Element, das einem Zuflucht gibt, etwas Schutz vor der vereinzelt erschreckend durchdachten Boshaftigkeit, die aus den Texten schlägt. Obgleich jedes Papier nach seiner Verlesung durch einen Schredder gejagt wurde, blieb jedes Wort unverletzt, jede „ich erklär euch mal was“-Tirade blieb gesagt und existent, wurde vonjemanden gegen jemanden gerichtet und deshalb durch Gesten nicht annullierbar. Am Ende ging man raus und wusste nicht, was man den Künstlern sagen sollte, die alles geschickt aufbereitet und mit der nötigen Distanz präsentiert hatten. Es fiel schwer, „Cool!“ zu sagen ohne den Subtext „Das war zum Kotzen!“
Niemandem konnte gefallen, was da zu hören war. Niemand erfuhr Inspiration, Läuterung oder eine Antwort auf irgendeine Frage. Man saß da und wusste noch weniger als vorher, wie mit der Schlechtigkeit der Mitmenschen umzugehen. In diesem Moment war wichtig die Information, die eine Mitarbeiterin des Flüchtlingsrat preisgab: „Wir kriegen auch nette Post!“ Wenigstens das. Es gibt Gutes zu sagen und es ist wichtig, den Menschen, die es verdienen, Gutes zu sagen! Manche Menschen verdienen Lob nicht nur. Sie brauchen es vielleicht sogar, um nicht von populärer Dummheit überschwemmt zu werden. Deshalb: Danke an alle Flüchtlingsräte, an Freund statt Fremd, an Paten und Unterstützer*innen, an ehrenamtliche und beruflich engagierte, an alle, die das einzig richtige tun: „unser Land“ öffnen, unsern Wohlstand teilen, unsere Potentiale hergeben und einsetzen für andere, die bei uns Schutz in Anspruch nehmen möchten oder müssen.Ahja, sorry, das war gar nicht alles an dem Abend. Unter großen Themen vergisst man schnell alles andere. Jedenfalls: Die Klasse Dynamische-Akustische-Forschung der Akademie Nürnberg hat eine Installation/Performance/Darbietung ins Kesselhaus gebracht. Die Beteiligten waren alle sympathisch. Es war schön und wertvoll, ihnen einen Raum zu geben und dabei ein Gefühl für deren Arbeit zu kriegen. Außerdem roch es gut nach Sonnencreme (bloß war es sehr umständlich, die wegzuputzen). Das Gedicht von Eva Nüßlein war gut. Aber so richtig vom Hocker gehauen hat die ganze Sache leider keinen. Ihr dürft trotzdem gern wiederkommen, wenn ihr möchtet!

Strotter Inst, Flamingo Creatures, Säulen des Kosmos

Ein Netzwerktreffen der besonderen Art war der vollste Tag bei FK:K II. Aus der Schweiz und verschiedenen Ecken Deutschlands kamen die Künstler*innen des 23.6. nach Bamberg und sie zeigten sich erfreut über die Möglichkeit unter Freund*innen, die sich zum Teil noch nicht kannten aufzutreten. Christoph aka Strotter Inst. baute in der einen Ecke seine manipulierten Platten und Plattenteller auf während Ruth und Ronny von Flamingo Creatures ihre Stimmen ölten und diverse Kabel miteinander verknüpften um Styroporplatten u.v.a. zu mikrofonieren. Achim und Flo von den Säulen des Kosmos besprachen die Beleuchtung ihrer Messe um das Kesselhaus um 23 Uhr in einen antikapitalistischen sakralen Raum verwandeln zu können. Wie geplant lief der Abend dann auch ab – Franz freute sich über den regen Zuschauer*innenstrom, der trotz der 22 Mann starken Konkurrenz in der ARD seinen Weg ins Kesselhaus fand.

„Inst.“ so erklärt Christoph im Vorfeld steht bei einem Konzert für Instrument, bei einer Soundinstallation für Installation. Nachdem das im Prototechno zu verordnende Konzert vorüber war, war klar warum immer beide Aspekte seiner Kunst eine Rolle spielen. Fasziniert zeigten die Zuschauer*innenfinger auf die installativen Charakter besitzenden Aufbauten Strotter Insts und er erklärte gerne welches Einmachgummi welchen Sound erzeugt und warum am Ende ein beinahe tanzbarer Sound von seinen Plattenspielern kommt obwohl keine Plattenrille zur Sounderzeugung verwandt wurde. Flamingo Creatures improvisierten ihr Konzert zwischen Soundexperiment und dadaistischer Oper – dem radikal wirkenden Raum scheint es zu Schulden sein, dass die Improvisation der beiden Noise tangierte und so den Tonmischer Flo vor eine ständige Herausforderung stellte. „Die haben mir beim Soundcheck was ganz anderes geschickt!“ Geschickt inszenierten zum Abschluss die Säulen des Kosmos ihre Messe. Ein roter Strahl beschien den Nebel im Raum und die beiden Musiker als hätte der liebe Gott sich die Pulsadern aufgeschnitten. Die Botschaften skandierte Flo ohne Unterlass und mit der Präsenz eines Opernstars während Achims elektronischer Sound den prototechno überwand und die Beine der Anwesenden wippen ließ. Fern von Gospel ganz nah an einer anderen Sakralität war dieser Abend! In einer Industriebrache aus Beton wurden die Bamberger Zuschauer*innen überrascht.

Bühne für Menschenrechte: NSU Monologe

Es gibt eine Straße in Kassel. Diese Straße heißt (noch) Holländische Straße. In eben dieser Straße wurde Halit Yozgat geboren und ermordet. In Coburg gibt es auch eine Straße, die Von-Schultes-Straße hieß. Diese Straße heißt heute Max-Brose-Straße. Warum werden in Deutschland Straßen umbenannt? Klar war, dass nach 1945 schnell die Namen Göring-Allee und Hitlerplatz getilgt werden mussten. Eine fortlaufende Hinterfragung von Namensgebern für öffentliche Räume geschieht nicht allerorts. Eine Kontextualisierung und kritische Prüfung der städtischen Umgebung mit dem gegenwärtigen Zeitgeschehen offenbart sich als Farce, wenn man die massenhafte Existenz der Mahnmale für die gefallenen deutschen Helden von 1914 bis 1945 sieht. Wie kann einem Vergessen von Verbrechen entgegengewirkt werden, wenn nicht einmal die Thematisierung der Verbrechen aus der sich entfernenden Vergangenheit konsequent vollzogen wird? Die Auseinandersetzung und das Erinnern an die Verbrechen des NSU wird auch auf eine andere Weise vollzogen: nicht (nur) durch die Schaffung fester Mahnmale sondern durch die Präsentation von Erinnerungen und Schilderungen von Betroffenen der NSU Morde. Die Bühne für Menschenrechte schuf ein dokumentarisches Theaterstück, welches vielerorts von immer wechselnden Schauspielensembles gespielt wird. In den NSU Monologen wurde Material aus Interviews mit den Hinterbliebenen der NSU Morde gesammelt, sortiert, verdichtet und verdichtet. Es entstand ein Theaterstück, welches das Leid der verhörten Angehörigen und die verschleiernde Aufklärung der Neonaziverbrechen durch die deutsche Legislative und Exekutive offenlegt. Der neue Realismus auf der Bühne offenbart im Fall der NSU Monologe die Geschichten, die zu selten die Öffentlichkeit erreichen. Vier Schauspieler*innen: Aline Joers, Elena Weber, Olga Seehafer und Bariş Tangobay begleitet von Carola Streib am Cello spielten die Monologe im Rahmen des FK:K-Festivals in Bamberg. Es wurde in neunzig Minuten ein Teppich der Erzählungen in den Raum gerollt, welcher das Nagelbrett der jüngeren deutschen Geschichte darstellt. Falsche Aufklärung, behördlicher Rassismus und das deutsche Gewissen mit dem schwarzen Horizont der NS-Vergangenheit im Hintergrund wurde auf die Bühne gebracht. Das mucksmäuschen stille Publikum nahm an dem Prozess, welcher der Verbrechensvereitelung gemacht wurde teil. Leichte Schlieren in den Augen durch die Tränen ließen die fünf verschwimmen und die Stimmen blieben im Raum stehen. Eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit muss fortlaufend geschehen. Die Vergangenheit liegt nicht ausschließlich siebzig Jahre zurück. Es gab eine Nazi Zeit. Es gibt eine Neonazi Zeit! „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ (Walter Benjamin) Dieser Engel steht heute in der Kasseler Holländischen Straße. Der Sturm soll bleiben und die Straßenumbenennung herbeiführen. Der Sturm soll bleiben und am Tag X, der Urteilsverkündung in München keinen Schlussstrich ziehen! Der Sturm soll bleiben.