Strotter Inst, Flamingo Creatures, Säulen des Kosmos

Ein Netzwerktreffen der besonderen Art war der vollste Tag bei FK:K II. Aus der Schweiz und verschiedenen Ecken Deutschlands kamen die Künstler*innen des 23.6. nach Bamberg und sie zeigten sich erfreut über die Möglichkeit unter Freund*innen, die sich zum Teil noch nicht kannten aufzutreten. Christoph aka Strotter Inst. baute in der einen Ecke seine manipulierten Platten und Plattenteller auf während Ruth und Ronny von Flamingo Creatures ihre Stimmen ölten und diverse Kabel miteinander verknüpften um Styroporplatten u.v.a. zu mikrofonieren. Achim und Flo von den Säulen des Kosmos besprachen die Beleuchtung ihrer Messe um das Kesselhaus um 23 Uhr in einen antikapitalistischen sakralen Raum verwandeln zu können. Wie geplant lief der Abend dann auch ab – Franz freute sich über den regen Zuschauer*innenstrom, der trotz der 22 Mann starken Konkurrenz in der ARD seinen Weg ins Kesselhaus fand.

„Inst.“ so erklärt Christoph im Vorfeld steht bei einem Konzert für Instrument, bei einer Soundinstallation für Installation. Nachdem das im Prototechno zu verordnende Konzert vorüber war, war klar warum immer beide Aspekte seiner Kunst eine Rolle spielen. Fasziniert zeigten die Zuschauer*innenfinger auf die installativen Charakter besitzenden Aufbauten Strotter Insts und er erklärte gerne welches Einmachgummi welchen Sound erzeugt und warum am Ende ein beinahe tanzbarer Sound von seinen Plattenspielern kommt obwohl keine Plattenrille zur Sounderzeugung verwandt wurde. Flamingo Creatures improvisierten ihr Konzert zwischen Soundexperiment und dadaistischer Oper – dem radikal wirkenden Raum scheint es zu Schulden sein, dass die Improvisation der beiden Noise tangierte und so den Tonmischer Flo vor eine ständige Herausforderung stellte. „Die haben mir beim Soundcheck was ganz anderes geschickt!“ Geschickt inszenierten zum Abschluss die Säulen des Kosmos ihre Messe. Ein roter Strahl beschien den Nebel im Raum und die beiden Musiker als hätte der liebe Gott sich die Pulsadern aufgeschnitten. Die Botschaften skandierte Flo ohne Unterlass und mit der Präsenz eines Opernstars während Achims elektronischer Sound den prototechno überwand und die Beine der Anwesenden wippen ließ. Fern von Gospel ganz nah an einer anderen Sakralität war dieser Abend! In einer Industriebrache aus Beton wurden die Bamberger Zuschauer*innen überrascht.

Bühne für Menschenrechte: NSU Monologe

Es gibt eine Straße in Kassel. Diese Straße heißt (noch) Holländische Straße. In eben dieser Straße wurde Halit Yozgat geboren und ermordet. In Coburg gibt es auch eine Straße, die Von-Schultes-Straße hieß. Diese Straße heißt heute Max-Brose-Straße. Warum werden in Deutschland Straßen umbenannt? Klar war, dass nach 1945 schnell die Namen Göring-Allee und Hitlerplatz getilgt werden mussten. Eine fortlaufende Hinterfragung von Namensgebern für öffentliche Räume geschieht nicht allerorts. Eine Kontextualisierung und kritische Prüfung der städtischen Umgebung mit dem gegenwärtigen Zeitgeschehen offenbart sich als Farce, wenn man die massenhafte Existenz der Mahnmale für die gefallenen deutschen Helden von 1914 bis 1945 sieht. Wie kann einem Vergessen von Verbrechen entgegengewirkt werden, wenn nicht einmal die Thematisierung der Verbrechen aus der sich entfernenden Vergangenheit konsequent vollzogen wird? Die Auseinandersetzung und das Erinnern an die Verbrechen des NSU wird auch auf eine andere Weise vollzogen: nicht (nur) durch die Schaffung fester Mahnmale sondern durch die Präsentation von Erinnerungen und Schilderungen von Betroffenen der NSU Morde. Die Bühne für Menschenrechte schuf ein dokumentarisches Theaterstück, welches vielerorts von immer wechselnden Schauspielensembles gespielt wird. In den NSU Monologen wurde Material aus Interviews mit den Hinterbliebenen der NSU Morde gesammelt, sortiert, verdichtet und verdichtet. Es entstand ein Theaterstück, welches das Leid der verhörten Angehörigen und die verschleiernde Aufklärung der Neonaziverbrechen durch die deutsche Legislative und Exekutive offenlegt. Der neue Realismus auf der Bühne offenbart im Fall der NSU Monologe die Geschichten, die zu selten die Öffentlichkeit erreichen. Vier Schauspieler*innen: Aline Joers, Elena Weber, Olga Seehafer und Bariş Tangobay begleitet von Carola Streib am Cello spielten die Monologe im Rahmen des FK:K-Festivals in Bamberg. Es wurde in neunzig Minuten ein Teppich der Erzählungen in den Raum gerollt, welcher das Nagelbrett der jüngeren deutschen Geschichte darstellt. Falsche Aufklärung, behördlicher Rassismus und das deutsche Gewissen mit dem schwarzen Horizont der NS-Vergangenheit im Hintergrund wurde auf die Bühne gebracht. Das mucksmäuschen stille Publikum nahm an dem Prozess, welcher der Verbrechensvereitelung gemacht wurde teil. Leichte Schlieren in den Augen durch die Tränen ließen die fünf verschwimmen und die Stimmen blieben im Raum stehen. Eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit muss fortlaufend geschehen. Die Vergangenheit liegt nicht ausschließlich siebzig Jahre zurück. Es gab eine Nazi Zeit. Es gibt eine Neonazi Zeit! „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ (Walter Benjamin) Dieser Engel steht heute in der Kasseler Holländischen Straße. Der Sturm soll bleiben und die Straßenumbenennung herbeiführen. Der Sturm soll bleiben und am Tag X, der Urteilsverkündung in München keinen Schlussstrich ziehen! Der Sturm soll bleiben.

Fête de la musique expérimentale mit Maîtres Fous und Raymonde

Frei nach Heinrich Heine:

Das Sozialverhalten der Bands Maîtres Fous‘ und Raymondes ———————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————— unter aller Sau ——————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————-

Workshops David Grimm, Marian Lenhard und Gerhard Schlötzer

Der Prozess ist einer, der sich auswirkt. Wirkung kann nur entstehen im Austausch in der Demokratisierung. Dies zu erproben ist Ziel der Workshops FK:Ks. So fanden sich einige Interessierte am 18.6. vor dem Kesselhaus ein um mit David sozial an Plastiken zu arbeiten. Es entstanden temporäre Plastiken auf öffentlichem Platz gleich neben dem Platz an dem Peter Kees zu „öffentlichem Nichtstun“ aufruft wurde etwas getan. Aus gelben Brettern und Schraubzwingen entstanden im Rahmen von „es könnte auch ganz anders aussehen“  Plastiken und es offenbarten sich Möglichkeiten den öffentlichen Raum zu nutzen statt ihn mit Audi SUVs vollzuparken. Als Parkplatzeinweiser*innen fungierten die Künstler*innen dabei nicht – sofern es um das Finden einer passenden Parkplatzbucht ging. Vielmehr warnten die zuweilen hektischen Armbewegungen davor Passant*innen samt ihrer Autos vor den zusammenbrechenden Plastiken zu schützen. Einsturz und Wiederaufbau zeigten den Prozess der gemeinsamen Aneignung des Raums.

Nichts anderes als die Wirklichkeit zeigt das Medium Fotografie. Durch das Bannen auf Zelluloid und SD-Karte wurde den Teilnehmer*innen von Marians Fotoworkshop klar, dass es neben Technik, Perspektive, Licht und Ausschnitt noch etwas anderes in der Fotografie geben kann. Zwischen leichtbewölktem Himmel und Asphalt wurde über die Möglichkeit gesprochen wie Geheimnisse in der Fotografie abzubilden sind. Genügt es geheime Momente wie Intimrasur oder Gummibärchen im Bett zu fotografieren um ein Geheimnis ins Foto zu rücken? Kann fehlendes Licht oder der Blitz bei der Geheimnisfotografie helfen? Mit diesen Fragen setzen sich die Teilnehmer*innen des Abends der Fotografie nun eine Woche auseinander und werden die Ergebnisse in der kommenden Woche am 27.6. vorstellen. Keine Geheimnisse der Haßberge wurden in der Diskussion Gerhard Schlötzers Arbeit „Haßberge und angrenzende Gebiete zu Wahlzeiten“ offenbart. Auch ohne Lupe sind Hakenkreuze und Hüllen von Versprechungen Melanie Humls auf den Fotos zu sehen. Eine lange Diskussion über die Arbeit Schlötzers und seine sich darauf beziehenden „Rückkopplungen“ schloss sich Marians Fotoworkshop an. Ein Austausch der Ideen über Kunst, Fotografie und deren Möglichkeiten sind die Quintessenz aus den FK:K Workshops. Vielen Dank für die fortlaufende Teilnahme an unserem Prozess!

Kutin|Kindlinger oder das heimliche Highlight FK:Ks

„schtzngrmm“ im Folgenden wird versucht Worte zu finden, für etwas, was nur Jandl hätte beschreiben können: wo die Vokale fehlen, wo die Sprache verstummt, im Nebel breitet sich Dunkel aus. Blauer Schein der LED statt einer Aster. Was sich in Wien rumsprach wird nun Bamberger Stadtgespräch bleiben: „hast du die Musiker gesehen – Nein, aber da waren zwei.“ Ja da waren zwei! Hinter der Glasscheibe, die nur 70% des Beamerlichts durchließ. Gebannte Blicke blickten auf diese Mattscheibe – während das Feuer sie zu zerstören drohte. Das flammende Inferno brach sich Bass durch die Jeans, dass sich dem, der dort noch Haare hat ebendiese aufstellte. Ein quadrophonisches Ereignis, welches wie geschaffen zur Mythenbildung über Kunst, Lärm und Wahrnehmung. Von wo kam der Sound? Aus vier zweimeterfünfzig hohen Boxentürmen, einem uralten Lautsprecher und zwei Megaphonen deren Rückkopplungen Peter Kutins Mund modulierte. Einer Filmmusik gleich ergoß sich der Sound wie Kohlenstaub unter den Kesselhaustrichtern. Dichtern verstummt die Sprache es war laut und angenehm. Warum dies so war bleibt ein Rätsel dessen Lösung es nicht gibt. Kutin | Kindlinger bannten das Bamberger Publikum und es fragte sich ob Sound und Visuals tatsächlich eine Panzerglasscheibe zerstören können.

Zerstört bleiben die gängigen Wahrnehmungen, welche nun verändert sind zurück. Die beiden reisten am nächsten Tag, nachdem sie ein Paket, zwecks Portosparmöglichkeiten, zur deutschen Post brachten, eine Kanne Kaffee getrunken war und das Schwimmen in der Regnitz unter den Augen einiger Touristen sie abgekühlt hatte nach Wien. In deren experimenteller Musikszene nun das Bamberger Kesselhaus für weiteren Gesprächsstoff sorgen wird. Wenn man von Wien nach Bamberg fährt muss man nicht über München fahren. Und das ist auch gut so und ein bisschen der Verdienst des Franz KAfkA. Vielleicht sind sie ja über Prag gefahren – abgekühlt hat die beiden jedenfalls die Regnitz!